Willkommen bei Tobi’s Mauerblog
Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, hier geht es weder um irgendwelche Mauern, die irgendjemand zu irgendwelchem Zeitpunkt aus irgendwelchem Grund errichten möchte oder bereits errichtet hat, noch um ein Dementi, daß irgendjemand irgendeinen Mauerbau geplant habe.
Hier geht es ausschließlich um die Kunst des Trockenmauerbaus, einem Handwerk, das nahezu ausgestorben ist und viel Erfahrung und Wissen zurückliegender Generationen augenscheinlich verloren gegangen scheint. Und dennoch gibt es immer noch Experten, die sich der Erhaltung dieser kulturhistorisch bedeutsamen Zeitzeugen verschrieben haben. Eng verknüpft mit dem Thema Weinbau, ziehen sich die steinernen Monumente speziell in den Flußtälern in Mittel- und Süddeutschland kilometerweit die Hänge entlang und man kann erahnen, wieviel Energie und Willenskraft vonnöten war, diese zu errichten. Aber auch der Erhalt ist nach wie vor eine große Kraftanstrengung, auch wenn heutzutage etliche mechanische Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Und die Grenze zwischen Handwerk und Kunst verwischt vollends, wenn man auf industriell vorgefertigte Materialien verzichtet und tatsächlich von Hand die naturbelassenen Steine auf ein benötigtes Maß und passende Form zuhaut und damit ein natürliches Mauerbild schafft, das mit seinen Fugen und Unebenheiten auch gleichzeitig einen Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bildet. Dieses Wissen um die Konstruktion, aber auch um die ökologische Bedeutung der Trockenmauern gilt es zu bewahren und wieder zu mehren.
Wie ich zu diesem Thema komme ist schnell erzählt. Als ich vor nunmehr 14 Jahren zusammen mit meiner Frau einen kleinen Weinberg am Robberg in Ettlingen bei Karlsruhe übernommen habe, war ich natürlich von den Trockenmauern mit ihrem blühenden Bewuchs sofort begeistert. Über die Jahre hat sich so nach und nach die ein oder andere Instabilität gezeigt, oftmals nur einzelne Steine oder kleine Bereiche, die sich verschoben haben. Zunächst habe ich diesem Umstand nicht allzuviel Bedeutung beigemessen, bis ich mich nach dem Winter 2014/2015 mit einer eingestürzten Mauer konfrontiert sah. Unbedarft machte ich mich mit familiärer Hilfe ans Werk und schichtete die Steine wieder neu auf. Fast wie Lego oder Bauklötzchen. Hinderlich war es stellenweise schon, daß manche Steine einfach nicht so passen wollten, wie ich mir das vorstellte. Aber zu guter Letzt stand die Mauer wieder und um allen Spekulationen vorzubeugen, sie steht auch heute noch. Trotzdem, irgendwie sieht man der Mauer bei aller Sorgfalt doch an, daß sie von einem Laien aufgeschichtet wurde. Und mir war schon bewußt, daß sich solch ein Ereignis jederzeit auf einer anderen Terrasse wiederholen kann, zumal im hinteren Bereich des Grundstücks die Trockenmauern noch erheblich maroder sind als im vorderen Bereich.
Zusammengebrochene Mauer 2015 …
… und wieder aufgerichtet im selben Jahr
Und so war es nicht verwunderlich, daß ich mich im Frühjahr 2017 mit zwei weiteren eingestürzten Mauern konfrontiert sah. Nun galt es, etwas generalstabsmäßiger an die ganze Sache heranzugehen. Zeit und Energie sind begrenzt, insbesondere, wenn der Wiederaufbau in der Freizeit neben der regulären Arbeit erfolgen muß. Ein effizienter und vor allem nachhaltiger Ansatz mußte her, der einen zielgerichteten Wiederaufbau ermöglicht und auch sicher stellt, daß ich in ein paar Jahren nicht erneut an der gleichen Stelle von vorne anfangen darf. Die Mauern der Vorväter standen schließlich ja auch stellenweise über Jahrhunderte.
Im Internet stieß ich auf die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Heidelberg (LVG), die unter anderem auch einen mehrteiligen Kursus zum Thema „Sanierung von Weinbergtrockenmauern“ veranstaltet. Ein Angebot, das sich primär an gewerbliche Garten- und Landschaftsbauer richtet, aber das konnte für meine Zwecke nur förderlich sein. Also entschloß ich mich, zwei Module des Kurses zu belegen, jeweils für zwei Tage. Geleitet wurde das Seminar von Martin Bücheler, einem der renommiertesten und erfahrensten gewerblichen Trockenmaurer in Deutschland. Und ich habe weder Zeit noch Geld bereut, das ich in diese insgesamt vier Tage investiert habe. Zunächst ging es neben der Werkzeugkunde und Grundlagen des Trockenmauerbaus um die Bearbeitung von Natursteinen. Ausschließlich mit Hammer und Meisel, ohne elektrische oder hydraulische Hilfsmittel. Zugegeben, natürlich kein Werkzeug aus dem Baumarkt. Aber inzwischen weiß ich einen Setzer, das Zahneisen, den Kipphammer und den Zweispitz zielführend einzusetzen. Und mein erster selbstbehauener Quader kann sich durchaus sehen lassen.
Im zweiten Modul ging es dann an die Praxis. Auf bereits eingerichteten Baustellen am Hausberg des Weinguts Schloss Neuweier bei Baden-Baden haben die Kursteilnehmer an zwei Tagen beschädigte Mauern wieder aufgerichtet und instand gesetzt. Natürlich wieder unter der fachlichen Aufsicht und Anleitung von Martin Bücheler. Stolz waren wir schon auf unser Resultat, auch wenn der Fachmann den ein oder anderen Fehler erkannt haben mag.
Auf jeden Fall waren diese vier Tage eine mehr als lohnenswerte Erfahrung für mich und ich versuche nun, das erlernte Wissen auf die Mauern in meinem Weinberg anzuwenden. Ich bin gespannt, ob sich alles so umsetzen läßt und welche Kompromisse ich dabei eingehen muß. Über die Basis-Werkzeugausrüstung eines Trockenmaurers verfüge ich mittlerweile und der kurze Schock über die Kosten hierfür hat sich ebenfalls gelegt. Aber ich bin jetzt schon überzeugt, daß sich diese Investition ebenfalls gelohnt hat. Die intensiven Diskussionen, diese Ausgaben meiner Frau begreiflich zu machen, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, wenngleich sie realisiert hat, daß das Fachgeschäft für Naturstein-Werkzeuge bei uns vor Ort ein wahres Männerparadies ist.
Über die kommenden Monate und Jahre werde ich auf diesem Blog dokumentieren, wie die Arbeiten voranschreiten, wohl wissend, daß es eine Lebensaufgabe werden wird …